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Afghanistan: Jurist Röder wirbt für Dialog auf Augenhöhe mit Taliban

Für Gespräche mit den Taliban in der Regierung in Kabul hat sich die 39. Afghanistan-Tagung der Evangelischen Akademie Villigst am Samstag in Berlin ausgesprochen. Tilmann Röder, Vorstand des Institute for Law and Society in Afghanistan in Berlin, trat für einen Dialog auf Augenhöhe ein. „Es muss ein Dialog mit den Taliban stattfinden.“ Statt sich „große Themen“ vorzunehmen, sei es hilfreich, den Dialog zu kleinen Projekten zur Verbesserung der Lebensqualität zu beginnen. Voraussetzung sei die Bereitschaft, einander zu zuhören.

Hans-Hermann Dube, früherer Leiter der Entwicklungszusammenarbeit der GTZ auf internationaler Ebene ergänzte, dass die Taliban „nie ganz weg gewesen seien“, auch nicht während der Zeit des internationalen Einsatzes. Den schnellen Zusammenbruch des politischen Systems nach Abzug der US-amerikanischen Truppen erklärte Dube mit dem Ansehen der Taliban in der Bevölkerung durch ihr befriedende Politik nach Ende der sowjetischen Besatzung und dem von den Warlords geführten Bürgerkrieg.

Winfried Nachtwei, früherer Bundestagsabgeordneter der Grünen und Mitglied des Verteidigungsausschusses, wies auf die fünf Jahre dauernden Verhandlungen hin, die 1648 zum Westfälischen Frieden geführt hätten. Frieden benötige einen langen Atem, aber die Voraussetzung sei immer der Dialog.

Die Bundesregierung hatte im September Gespräche mit dem Taliban-Regime in Afghanistan zumindest über Abschiebungen aus Deutschland verteidigt. Die Kontakte seien erforderlich, um Menschen nach Afghanistan abzuschieben als bisher. Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer hatte unterstrichen, dass mit den Kontakten „in keinster Weise“ eine Anerkennung der Taliban als rechtmäßige afghanische Regierung verbunden sei. Es handele sich „einzig und allein um einen Austausch auf technischer Ebene“ mit dem Ziel, Abschiebungen zu erleichtern.

Die radikalislamischen Taliban haben seit ihrer Machtübernahme 2021 die Rechte von Frauen und Mädchen massiv beschnitten. Fast 80 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren sind laut der Frauenorganisation der Vereinten Nationen, UN Women, weder beruflich tätig noch gehen sie zur Schule oder Universität. Wegen der zunehmenden Armut gehen viele Frauen einer Arbeit nach, sie müssen dafür jedoch in den informellen Sektor ausweichen, weil ihnen rechtlich geregelte Beschäftigung kaum erlaubt ist.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Verbote für Frauen und Mädchen zu einer Zunahme von 25 Prozent bei Kinderehen, 45 Prozent bei Teenager-Schwangerschaften und mindestens 50 Prozent bei Müttersterblichkeit bis 2026 führen werden.