Acht Jahrhundert Baugeschichte: Münster feiert den Dom als Wahrzeichen mit bewegter Geschichte. In der entstand auch ein Detail, das im Volksmund “Wählscheibe Gottes” genannt wird.
Wenn die ARD-Krimireihe “Tatort” in Münster spielt, taucht er regelmäßig als Erkennungsmerkmal der Stadt auf: Der Sankt-Paulus-Dom mit seinen beiden großen Türmen und dem markanten grünen Kupferdach. Zusammen mit dem keine 100 Meter entfernten Rathaus des Westfälischen Friedens ist das Gotteshaus das wohl prägendste Gebäude des Stadtbilds. Vor 800 Jahren – im Jahr 1225 – legte Fürstbischof Dietrich III., Graf von Isenberg, nach zwei Vorgängerbauten den Grundstein für die spätromanische Kathedrale. Das Jubiläum begeht das Bistum ab Samstag mit einer Festwoche.
Die Grundstruktur des Doms hat sich trotz schwerer Beschädigungen und Neuaufbauten im Laufe der Jahrhunderte erhalten. Das Gotteshaus, an dem bis zu seiner Einweihung im Jahr 1264 fast 40 Jahre lang gebaut wurde, liegt auf einer kaum merkbaren Erhebung. Von oben gesehen verlaufen alle Altstadtstraßen in Ringform um das Gebäude herum. Anders als so manche Kathedrale kommt der Sankt-Paulus-Dom nicht furchteinflößend dunkel daher. Der helle Sandstein, gewonnen in den etwa 20 Kilometer entfernten Baumbergen, trägt zur optischen Leichtigkeit bei. Rund 109 Meter ist die Kathedrale lang und 53 Meter breit. Ihre beiden Türme sehen von unten gleich aus. Doch ist der eine knapp 58 Meter und der andere gerade mal 55,5 Meter hoch.
Auch innen präsentiert sich das Gotteshaus freundlich hell – zumal, wenn das Sonnenlicht durch die hohen Fenster der Südfassade scheint. Der Fußboden ist zum Altar hin abschüssig. Mit bloßem Auge sichtbar ist das nicht. Dagegen fällt sofort die Christophorus-Figur von 1627 auf. Die über fünf Meter hohe Skulptur ist besonders bei Kindern beliebt. Geradezu berühmt ist die Astronomische Uhr von 1542. Die zeigt nicht nur die Uhrzeit an, sondern bietet auch Informationen über Wochentag, Sonnenlauf, Mondphase und Sternbild – für den, der sie lesen kann. Was dagegen jeder versteht, kommt um 12.00 Uhr oben aus einer Klappe heraus: die Heiligen Drei Könige samt zweier Diener und dem Stern von Bethlehem.
Bereits um 1530 fügten die Wiedertäufer dem Dom gravierende Schäden zu. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kathedrale dann aber stark zerstört. Pläne für einen völligen Neubau fanden beim Domkapitel aber keine Zustimmung. Es beschloss schon im Sommer 1945 den Wiederaufbau. Die Arbeiten erstreckten sich über ein Jahrzehnt, bevor im Oktober 1956 die Einweihung des Doms in seiner heutigen Gestalt erfolgte.
Die Kathedrale wurde zwar weitgehend original rekonstruiert – an einigen Punkten aber auch verändert. Der damalige Bischof Michael Keller drängte darauf, dass der Altar zentral in die Vierung kommt und damit näher an die Gläubigen rückt. Heftig gestritten wurde – auch in Leserbriefen – über die neue Gestaltung der Westfassade. Das ehemalige Portal dort wurde geschlossen und stattdessen eine Mauer mit 16 rosettenförmigen Rundfenstern errichtet – im Volksmund “Keller-Fenster” oder “Wählscheibe Gottes” genannt. Der Zugang zum Dom erfolgt seitdem über einen “Paradies” genannten Vorbau an der Südseite, der vermutlich aus der Zeit des Vorgängerbaus stammt und über den Eingangstüren eine Darstellung des Bistumspatrons, des heiligen Paulus enthält.
Im Umgang zum Altarraum findet sich die Grabeskapelle des selig-gesprochenen Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen (1878-1946), der als “Löwe von Münster” gegen das Euthanasieprogramm der Nazis predigte. Seine Botschaft ist hier in Stein gehauen: “Du musst Gott mehr gehorchen als den Menschen.” Dort hat Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch der Stadt am 1. Mai 1987 kniend gebetet.
Im Dom bestattet sind auch die Bischöfe Keller (Amtszeit: 1947-1961), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008), denen in einer 2022 veröffentlichten Studie Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern unter Priestern sowie eine “klerikale Vertuschungsgeschichte” vorgeworfen werden. Zwischenzeitlich ließ das Bistum den Zugang zur Bischofsgruft sperren. Inzwischen ist sie wieder geöffnet. Am Eingang weist aber ein Schild auf die Fehler der Bischöfe hin.