“Ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet.” Solche oder ähnliche Sprüche sind immer noch zu hören. Aber zumindest laut Umfragen sind körperliche Strafen heute weit weniger akzeptiert.
Eltern, die ihren Kindern mit dem Teppichklopfer eine Tracht Prügel verpassen, sie “windelweich” schlagen; oder ihnen einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen, weil dieser ja “das Denkvermögen erhöht”: Umfragen zufolge gibt es derartige körperliche Züchtigungen heute weniger als noch in den 1980er oder 1990er Jahren, ganz zu schweigen von der Nachkriegszeit mit ihrer “Schwarzen Pädagogik”. Den kleinen Klaps oder wenn einem “mal die Hand ausrutscht”, das sehen viele Menschen gestressten Eltern nach. Dabei ist Gewalt in der Erziehung auch per Gesetz verboten. Inzwischen seit einem Vierteljahrhundert.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte zum Jubiläum: “Das war ein echter Meilenstein für den Schutz von Kindern. Man könnte aber auch sagen: Erst seit 25 Jahren haben Kinder ein gesetzlich verbrieftes Recht auf gewaltfreie Erziehung.” Ihr Ziel sei es, den Schutz von Kindern vor Gewalt noch weiter auszubauen: “Das wollen wir mit der Einführung der elektronischen Fußfessel und einer Pflicht zu Antigewalttrainings sicherstellen. Und auch im Sorge- und Umgangsrecht will ich den Schutz vor Gewalt noch stärker verankern.”
In der rot-grünen Bundesregierung war es seinerzeit die damalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann, die das Vorhaben zum Verbot vorantrieb und von einem neuen Erziehungsbild sprach: “Das, was über viele Generationen gang und gäbe war, wird jetzt wirklich ersetzt.” Damals berichteten laut Untersuchungen etwa vier von fünf Kindern, dass sie körperliche oder psychische Gewalt erlitten hatten.
Mit rot-grüner Mehrheit beschloss der Bundestag am 6. Juli das “Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung”. Die Union bezeichnete es wegen fehlender strafrechtlicher Konsequenzen als “Luftnummer”. Vier Monate später, am 8. November, trat es in Kraft. Seitdem steht im Bürgerlichen Gesetzbuch: “Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.” Parallel startete Bergmann eine Kampagne und warb für “mehr Respekt vor Kindern”. Neue Beratungsstellen und Trainings entstanden; hier sollte und soll Eltern geholfen werden, ihre Kinder auch in Stresssituationen gewaltfrei zu erziehen.
Blickt man zurück, war es ein langer Weg bis zu dieser Reform: Noch bis 1958 stand im Gesetzbuch: “Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden.” Bis 1980 wurden die Mittel zur Erziehung nicht mehr näher definiert. Erst danach hieß es dann, dass zumindest “entwürdige Erziehungsmaßnahmen unzulässig” sind.
Dass Kinder ohne Schläge erzogen werden sollen und dies sogar im Gesetz festgehalten ist, scheint aber auch 2025 noch längst keine Selbstverständlichkeit zu sein, wenn auch die Zahlen sinken. Laut einer aktuellen Befragung des Uni-Klinikums Ulm lehnen zwar rund zwei Drittel körperliche Strafen ab, aber 30,9 Prozent der Befragten halten einen Klaps auf den Hintern für vertretbar, 14,5 Prozent eine leichte Ohrfeige. Der Aussage “Eine Tracht Prügel hat noch keinem Kind geschadet” stimmten noch fünf Prozent der Befragten zu.
Insgesamt ist aber auch die gesellschaftliche Sensibilität gestiegen. Deutlich wurde das nicht zuletzt daran, dass es einen empörten Aufschrei auch in Deutschland gab, als Papst Franziskus vor rund zehn Jahren erklärte, dass man Kinder manchmal ein bisschen schlagen müsse, “aber nicht ins Gesicht, um sie zu demütigen”. Wird ein Kind in der Öffentlichkeit geschlagen – etwa auf einem Spielplatz – nehmen das in der Regel andere Eltern nicht einfach hin.
Schwieriger ist das bei psychischer Gewalt – wenn etwa Eltern ihre Kinder ständig herabsetzen oder permanent als Ursache jeglichen Übels hinstellen. Das könne für Kinder langfristige psychische Folgen haben, so der Ulmer Mediziner Jörg Fegert. Auch Jugendämter und Gerichte täten sich schwer, diese Form von Kindeswohlgefährdung anzusprechen und adäquaten Schutz für die betroffenen Kinder herzustellen.
Experten sprechen sich auch deshalb dafür aus, den Begriff der gewaltfreien Erziehung gesetzlich weiter zu präzisieren. Neben der physischen und psychischen Gewalt gehöre zu einem solchen erweiterten Begriff auch die Vernachlässigung von Fürsorgepflichten. Denn, so betonten sie, die Geschichte der gewaltfreien Erziehung in Deutschland zeige, wie gesetzliche Maßnahmen zu nachhaltiger positiver gesellschaftlicher Veränderung führten.
Uneins sind sich Wissenschaftler dagegen darüber, ob es helfen würde, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Nötig dafür ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Bislang sind Anläufe dazu gescheitert. Im aktuellen Koalitionsvertrag taucht die Forderung nicht mehr auf. Kritiker meinen, eine solche Verankerung sei überflüssig, da Kinder bereits Träger aller Grundrechte seien.