Selbstzufrieden schaut Abt Anselm Aldenhoven die Besucherinnen und Besucher an. 1785 ist er ist ein Mann auf dem Gipfel des Erfolgs: An seiner rechten Hand funkelt ein prächtiger Diamantring. Die Linke ruht auf dem Grundriss der neu erbauten barocken Prälatur, die im Hintergrund zu sehen ist. Noch ahnt Anselm nicht, dass er der letzte Abt in der 800-jährigen Geschichte des wohlhabenden Klosters sein würde. 1802 wurden die Mönche von den französischen Besatzern vertrieben. Es begannen wechselvolle Zeiten für das Kloster als Arbeitsanstalt und Konzentrationslager. Heute ist es ein Ort der Kultur.
Die rund 1.000-jährige Geschichte wird nun erstmals in vollem Umfang in einer Ausstellung gezeigt, wie der Landschaftsverband Rheinland (LVR) erklärt, der in den 1950er Jahren die Trägerschaft der Abtei übernahm. Anlässlich des Gründungsjubiläums eröffnet am 29. Juni die neue Dauerausstellung „1.000 Jahre Abtei Brauweiler – Ein Ort rheinischer Geschichte“. Gezeigt werden rund 30 Exponate, darunter architektonische Fragmente, Dokumente sowie Gegenstände aus der früheren Arbeitsanstalt Brauweiler.
Die barrierefreie Ausstellung bietet zudem Video- oder Hörstationen mit Zeitzeugengesprächen oder Hintergrundinformationen. Tastobjekte und Duftstationen sollen die Geschichte sinnlich erfahrbar machen. Für Kinder wurde die Klostergeschichte als Comic aufbereitet.
Die Geschichte der ehemaligen Benediktinerabtei beginnt 1024 und ist umrankt von Legenden. Berichten zufolge erhielten Pfalzgraf Ezzo von Lothringen und seine Frau Mathilde auf einer Reise zum Papst nach Rom Reliquien mit dem Auftrag, ein Kloster zu gründen. Als Ort wählten sie ihr Hofgut Brauweiler. Am 14. April 1024 trafen sieben Benediktinermönche mit ihrem Abt Poppo in Brauweiler ein.
Am Anfang standen hier einfache Holzgebäude. Den Aufschwung bescherte dem Kloster Richeza, die Tochter des Stifterpaares. Sie wurde durch Heirat Königin von Polen, ließ das Kloster ausbauen und schenkte ihm Ländereien. Die Ausstellung präsentiert ein Faksimile der Schenkungsurkunde. Das Leben der Mönche folgte der benediktinischen Regel geprägt von Gebet, Verzicht uns frommer Arbeit.
Zugleich wird deutlich, dass das Kloster zunehmend auch weltliche Macht an sich zog. Ein Grenzstein von 1733 und ein Wappen mit Adler und Schwert zeugen vom herrschaftlichen Selbstverständnis der Abtei. Die Äbte hatten außerdem Gerichtsbefugnisse. Im 16. und 17. Jahrhundert kam es zu Hexenverfolgungen und Hinrichtungen.
Die französische Besetzung des Rheinlandes bedeutete einen Bruch in der Klostergeschichte. Die Abtei wurde säkularisiert und zwei Flügel des Kreuzgangs rissen ab. Reste des Bauschutts sind in der Ausstellung zu sehen. Das Kloster wurde zum sogenannten Bettlerdepot, wo Obdachlose interniert und zur Arbeit herangezogen wurden.
Nach dem Ende der französischen Herrschaft im Jahr 1815 machte die preußische Verwaltung Brauweiler zur „Rheinischen Provinzial-Arbeitsanstalt“. Obdachlose, Prostituierte sowie Alkohol- oder Spielsüchtige wurden hier inhaftiert und sollten durch Arbeit umerzogen werden. Die Anstalt war für ihre harten Lebensbedingungen und Strafen bekannt. Ein gruseliges Zeugnis davon legt ein lederner Maulkorb ab, mit dem unbeugsame Insassen bestraft wurden.
Ein besonders düsteres Kapitel der Klostergeschichte begann 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Sie nutzten Brauweiler zunächst als frühes Konzentrationslager und später als Gestapo-Gefängnis. Zu den Insassen zählten auch der spätere erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer und seine Frau, die dort zeitweise festgehalten wurden.
Nach Kriegsende wurde Brauweiler zunächst Auffanglager für sogenannte „Displaced Persons“, die als Gefangene oder Zwangsarbeiter aus ihrer Heimat verschleppt worden waren. Danach wurden die Gebäude erneut als Arbeitsanstalt genutzt. Zu den Insassinnen zählte unter anderem die Edelprostituierte Rosemarie Nitribitt, deren Ermordung später einen Skandal auslöste und unter anderem Vorlage für einen Film war. Ab 1969 wurde auf dem Klostergelände ein Landeskrankenhaus für Psychiatrie eingerichtet, das aber nach zahlreichen Skandalen 1978 geschlossen wurde.
Der LVR beschloss danach, ein völlig neues Kapitel in der Geschichte der Abtei aufzuschlagen. In den 1980er Jahren wurden die Gebäude und das zwölf Hektar große Gelände so weit wie möglich in den Urzustand zurückversetzt. Heute wird der Gebäudekomplex für Dienststellen des LVR sowie als LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler genutzt. Neben der Dauerausstellung befindet sich dort eine ebenfalls neu konzipierte Gedenkstätte zur NS-Zeit.