Sonja Thomaier (34) promoviert über Queere Theologie und hat einen eigenen Blick auf das Vater-Mutter-Kind-Idyll von Krippenspielen.
Welche Rolle hatten Sie früher beim Krippenspiel?
Ich hatte keine Krippenspielphase, ich bin spät berufen.
Und in welcher Rolle sehen Sie sich heute am ehesten?
Ich könnte mich bei den drei Sternendeutern gut einordnen, weil diese Figuren so etwas Grenzüberschreitendes haben. Aus einem anderen Land zu einem Stall zu pilgern und die Geburt einer Person zu würdigen, das ist ein Bild, das ich sehr stark finde.
Also nicht die Maria?
Ich als nicht binäre Person kann mich in verschiedene geschlechtliche Rollen hineindenken, ob das jetzt Maria ist oder Josef. Das kriegen aber auch andere Menschen gut hin. Gerade die Hirten und die drei Könige werden sowieso immer divers besetzt. Das ist ja das Schöne am Theaterspielen: Da dürfen wir uns ausprobieren.
Wie wirkt das Vater-Mutter-Kind-Idyll der Krippenszene auf Sie?
Meine Erfahrung ist, dass gerade die Krippenspiele Momente in Gemeinden sind, die eine lange Tradition und eine hohe Bindungskraft haben. Diese Momente sollten wir nutzen, um auch gesellschaftliche Veränderungen in die Gemeinde zu integrieren. Maria als holde Magd und Jesus als Knabe mit lockigem Haar – das geht auch anders. Die Krippenszene ist im Grunde eine nicht familiäre Care-Situation: Ganz unterschiedliche Beteiligte treffen zusammen und kümmern sich um das Neugeborene. Die Frage ist ja, wo kommen zum Beispiel Alleinerziehende, Wahlfamilien oder gleichgeschlechtliche Paare vor. Diese Menschen können von allen, die Krippenspiele oder Gottesdienste gestalten, mitgedacht werden.