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Auf Paul Gerhardts Spuren

In Lübben findet vom 14. bis 20. Mai die Paul-Gerhardt-Woche statt. Ein Wanderweg von Berlin über Heiligenwalde in die Spreewaldstadt erinnert an den Theologen und Kirchenmusiker. Uli Schulte Döinghaus ist die letzte Etappe über 30 Kilometer von Lübben nach Märkisch Buchholz abgegangen – inspiriert von einem der schönsten Liedtexte Paul Gerhardts.

In Lübben findet vom 14. bis 20. Mai die Paul-Gerhardt-Woche statt. Ein Wanderweg von Berlin über Heiligenwalde in die Spreewaldstadt erinnert an den Theologen und Kirchenmusiker. Uli Schulte Döinghaus ist die letzte Etappe über 30 Kilometer von Lübben nach Märkisch Buchholz abgegangen – inspiriert von einem der schönsten Liedtexte Paul Gerhardts.

Geh aus, mein Herz und suche Freud / in dieser lieben Sommerzeit / an deines Gottes Gaben.Als dieser Hymnus auf die Schöpfung 1653 erstmals gedruckt wurde, war Paul Gerhardt Pfarrer in der St.-Moritz-Kirche zu Mittenwalde (bei Königs Wusterhausen). Vielleicht haben ihn Spaziergänge durch den Ort inspiriert, wahrscheinlich aber die Reisen zu den umliegenden elf Pfarreien (darunter Königs Wusterhausen, Gräbendorf, Teupitz und Gussow). Paul Gerhardt war nämlich nicht nur Ortspfarrer in Mittenwalde, sondern auch Inspektor der benachbarten Gemeinden, mithin eine Art Superintendent.

Wir müssen uns solche Inspektionsreisen in jenen Zeiten mühsam vorstellen, mal mit dem Pferd, mal auf einem Karren, oft zu Fuß. Bei Wind, Wetter – aber auch wärmender Sommersonne. Viele dieser Wege führten Paul Gerhardt durch dichte, unheimliche Wälder, auf Schritt und Tritt von Gewässern und Seen durchzogen, welche die Eiszeit vor 20.000 Jahren hinterließ. Hier blüht die üppige Natur auf und die Schönheit der Schöpfung zeigte sich Paul Gerhardt in beinahe schwelgerischer Pracht. Hier, irgendwo zwischen Dahme und Spree, mag Paul Gerhardt jene wunderbare Naturerfahrung gehabt haben, die er dann so einfach wie bildhaft beschrieb: Die Bächlein rauschen in dem Sand / und malen sich an ihrem Rand / mit schattenreichen Myrten.

Aber Natur und Schöpfung waren für den lutherischen Kirchenmann und Liedermacher Gerhardt (1607 bis 1676) nicht nur ein nutzloses Geschenk Gottes, das man in schwelgerischer Naturlyrik anschmachten durfte. Sondern sie waren (und sind) ein biblischer Auftrag, uns die Erde um unseres (Über-)Lebens willen untertan zu machen. Der Weizen wächset mit Gewalt: / darüber jauchzet Jung und Alt und rühmt die große Güte, / des, der so überfließend labt.

Knapp 365 Jahre später. Verschiedene Akteure sind seit Jahren dabei, einen „Paul-Gerhardt-Wanderweg“ fertig zu stellen, der die wichtigsten Wirkungsstätten des Theologen, Pfarrers und Kirchenmusikers verbindet. Von der Berliner Nikolaikirche aus, wo er 1657 bis 1667 als Pfarrer tätig war, führt der Weg über Berlin-Köpenick, Zeuthen, Wildau und Königs Wusterhausen nach Mittenwalde, wo Paul Gerhardt von 1651 bis 1657 als Pfarrer tätig war. Dann geht es weiter durch die Ämter Schenkenländchen und Unterspreewald bis nach Lübben, wo er bis zu seinem Tod acht Jahre lang als Pfarrer amtierte. Seine Amtszeit begann mit einem Bierstreit – die Lübbener Obrigkeit, besorgt um ihr Braumonopol – wollte nicht, dass Paul Gerhardt sein Bier aus Berlin als Umzugsgut nach Lübben mitbringt.

In Erinnerung an diesen Konflikt wurde in Lübben eine Zeitlang „Paul-Gerhardt-Bier“ ausgeschenkt. Leider gibt es die Marke nicht mehr. Zu Beginn der heutigen 30-Kilometer-Tageswanderung wäre ein Frühschoppen in des Liedermachers Namen sowieso nicht zielführend gewesen. Im Spreewaldstädtchen Lübben ist an diesem Samstagmorgen noch nicht viel los. Am Ufer ruhen und dümpeln noch die Kähne, in denen in ein paar Stunden die Touristen auf der Spree und ihren zahlreichen Seitenarmen und Kanälen durch die Gurkenregion gestakst werden. Der zentrale Marktplatz Lübbens ist noch leer, davor ist die Paul-Gerhardt-Kirche noch geschlossen. Das Denkmal, das an den großen Bürger der Stadt erinnert, zeigt einen entschlossen blickenden Gottesmann mit Buch, ein wenig zu streng und gottesfürchtig vielleicht für einen Künstler, der schrieb: Ach denk ich / bist du hier so schön und lässt du’s uns so lieblich gehn / auf dieser armen Erden.

Ein paar Gehminuten entfernt liegt das Paul-Gerhardt-Zentrum direkt an der sogenannten Hauptspree. Im Rahmen einer kleinen Ausstellung können Besucher hier die künstlerischen und theologischen Lebenswege Paul Gerhardt in Bildern und Texten nachvollziehen. Man öffnet Klappen und wird über diese oder jene Station belehrt. Schön wären hier ein wenig Hintergrundmusik und ein bisschen Digitaltechnik, um uns in die Klangwelt der Lieder einzuführen, die Paul Gerhardt schuf.

Weil am Lehnigksberg ein Übergang seit Jahren gesperrt ist, geht der Weg nach Nordwesten an Hauptspree und Nordumfluter vorbei. Kurz müssen wir an einer belebten Bundesstraße entlang gehen, links die Evangelische Grundschule, rechts das Paul-Gerhardt-Gymnasium, ein hübsch restauriertes Gebäude. Hinter abweisenden Zäunen und dichtem Buschwerk ist das „Schloss Frauenberg“ kaum auszumachen – ein ehemaliges Kloster- und Rittergut, das dem Verfall preisgegeben ist. Ein magischer Ort. Im frühen Mittelalter soll es hier Marienerscheinungen gegeben haben, Jahrhunderte später setzten sich hierhin höchste Führungsstäbe der Hitler-Wehrmacht ab, zu DDR-Zeiten wurde hier eine Geburtsklinik eingerichtet, in der halb Lübben zur Welt kam. Wahrscheinlich hat auch Paul Gerhardt gelegentlich bei dieser „Herrschaft Frauenberg“ vorbeigeschaut, zu seiner Zeit ein wichtiger deutscher Adelssitz. Musikalisch hat ihn der Spreewald nicht inspiriert – in seiner Lübbener Zeit hat er keine Kirchenlieder geschrieben.

Rund um den Weiler Hartmannsdorf ist eine brandenburgisch-märkische Seltenheit zu durchwandern: Laubwald! Mit Singvögeln! Die hoch begabte Nachtigall / ergötzt und füllt mit ihrem Schall / Berg, Hügel, Tal und Felder.

Der Forst- und Wanderweg ist schattig, aber immer mal wieder bricht sich die Sonne durch das junge Blattwerk und projiziert Figuren auf den Weg wie bewegliche Schattenrisse. Ein Specht hackt auf eine morsche Eiche ein, dass man um seinen Schnabel fürchten muss. Über einem Holzstapel hat sich eine Amsel aufgedonnert, ihr Singen könnte ein Paarungsruf sein. Alle paar hundert Meter unterbricht der Weg träge fließende Gewässer, Regulierungskanäle, die durch Wehre gestaut werden. Sonnenlicht beleuchtet wie durch ein Brennglas eine quicklebendige Szenerie im blitzblanken Fließwasser. Der Storch baut und bewohnt sein Haus / das Schwälblein speist die Jungen.

Ein paar Kilometer weiter gibt der Wald Ackerbrachen und Weidelandschaften Raum, auf dem Störche nach Nahrung suchen. Vor und über dem Dorf Krausnick, die letzte Ortschaft vor dem Tagesziel Märkisch-Buchholz, hat ein Storchenpaar Quartier in einem Nest bezogen und lässt sich beim Brüten nicht stören – vom Sonntagsverkehr nicht und schon gar nicht vom neugierigen Wanderer, der da unten umherstreicht und nach oben blinzelt. Einen Steinwurf weiter nördlich ist die Turmspitze der Dorfkirche von Krausnick zu erspähen. Sie reckt sich über einen prächtig sanierten Fachwerkbau, dessen Umrisse wie ein griechisches Kreuz gestaltet wurden. Eine Schwalbe hat sich nebenan ihr Domizil im Eingang eines Wohnhauses gebaut und nistet, als ob es ihr darum ginge, das schönste Lied von Paul Gerhardt wirklich werden zu lassen. Ich singe mit, wenn alles singt und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.

Das Programm der Paul-Gerhardt-Woche vom 14. bis 20. Mai finden Sie hier:http://www.paul-gerhardt-luebben.de/seite/99456/paul-gerhardt-woche.html

Zur Person Paul Gerhardt:

Zur Welt kam Paul Gerhardt am 12. März 1607 in Gräfenhainichen (Sachsen). Er war Schüler der Fürstenschule Grimma und studierte Theologie in Wittenberg. Dort und in Berlin war er Hauslehrer. 1651-1657 hatte er eine erste Pfarrstelle als Propst in Mittenwalde. Danach war er Pfarrer an St. Nicolai in Berlin, wurde aber durch Kurfürst Friedrich Wilhelm I. wegen theologischer Lehrstreitigkeiten zwischen Reformierten und Lutheranern seines Amtes enthoben. 1669 kam Paul Gerhardt als Pfarrer nach Lübben, wo er 1676 starb. Paul Gerhardt wurde in der Lübbener Kirche beigesetzt. Von den 139 Liedtexten, die er verfasst hat, sind 26 im Evangelischen Gesangbuches enthalten. Zu den bekanntesten Werken gehört „O Haupt voll Blut und Wunden“, „Nun danket all und bringet Ehr’“ sowie „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ – das den Wanderbericht von Lübben nach Märkisch Buchholz auf dieser Seite musikalisch begleitet hat.